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Sind Wölfe am Dorfrand gefährlich?

Eine kleine Aufklärung

TZ vom 08.04. und 17.12.2025 – Foto: Nico Wendt
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TZ vom 08.04. und 17.12.2025 – Foto: Nico Wendt

Sind Wölfe in Dorfnähe gefährlich?

Wenn Wölfe in der Nähe von Dörfern beobachtet werden, taucht in der Presse und in Gesprächen regelmäßig die Frage auf, ob eine Gefahr für Menschen, insbesondere für Kinder besteht. So zum Beispiel als im April 2025 ein Wolf an dem ostelbischen Großtreben vorbeilief und als sich im Dezember 2025 ein junger Wolf in einem Weidezaun am Ortsrand von Dautzschen verfangen hatte.

So ungewohnt es für uns Menschen noch ist: Für Wölfe sind Dörfer und Dorfränder in erster Linie Landmarken, an denen sie sich auf ihren Streifzügen und Fernwanderungen räumlich orientieren, genauso wie an Flüssen, Bächen, Teichen, Wald- und Feldrändern, Wegen und Straßen. Als Wildtiere müssen Wölfe mit ihrer Energie sorgfältig haushalten und leisten sich deshalb keine großen Umwege. Der kürzeste Weg von A nach B ist der beste. Die Ziele solcher wölfischen Streifzüge sind Wildschweinrotten, aus denen sich vielleicht ein Frischling herausfangen lässt oder Rehe, eines der Hauptbeutetiere der Wölfe. Auf ihren Fernwanderungen suchen sie nach einem Paarungspartner und einem freien Gebiet, um ein eigenes Rudel zu gründen.

Wir Menschen spielen dabei im Wolfsleben nur eine untergeordnete Rolle. Wir sind da, riechen aus wölfischer Sicht völlig uninteressant (Shampoo, Waschmittel, Weichspüler, Parfüm) und machen Lärm. Das war’s. Deshalb laufen Wölfe am Dorfrand vorbei und wenn der kürzeste Weg durch das Dorf hindurchführt, auch mal mitten durch ein Dorf. Dass es dort einen Spielplatz gibt und einen Kindergarten, ist den Wölfen unbekannt und selbst wenn sie eine Vorstellung davon hätten, wäre es ihnen egal. Das gleiche gilt für Kinder an der Schulbushaltestelle und Kinder, die auf ihren Fahrrädern einen Feldweg entlangholzen. Wölfe nehmen das wahr, riechen und sehen das, aber was sie riechen und sehen, entspricht nicht ihrem Beuteschema. Wir riechen nicht nach Wildschein, Reh und Hirsch und wir bewegen und verhalten uns auch nicht wie sie.

Der Vorbeilauf des Wolfes am Dorfrand von Großtreben ist ein gutes Beispiel für dieses Desinteresse. Eher hatte der Wolf Angst und war darauf aus, der Situation „Traktor“ und „Menschen“ zu entkommen. Zu erkennen an dem hastigen Kotabsetzen auf dem Acker, seiner Gangart und der ebenso hastigen Überquerung der Straße trotz Autoverkehr.

Interessant können Dorfränder für Wölfe dann werden, wenn es dort nach Schaf oder Ziege riecht oder beispielsweise Schlachtabfälle oder Tierkadaver verklappt worden sind. Das würde die Neugier der intelligenten Tiere wecken und den noch jungen und unerfahrenen Wolf am Dorfrand von Dautzschen dürfte der Schafgeruch interessiert haben und dann hat er sich in dem stromlosen Netzzaun, der dort über den Winter steht, verfangen und so wurde er zum Mittelpunkt medialen Interesses. Der Dautzschener Wolf hatte wirklich Angst, denn gefangen sein, bedeutet für ein Wildtier allerhöchste Gefahr und so hockt er im Netzzaun verfangen da, wie ein Häufchen Elend. Möglicherweise reicht ihm diese Erfahrung und er lässt sich nicht mehr so schnell in Ortsnähe blicken.    

Für Wölfe gilt das, was auch für andere Wildtiere gilt: In Ruhe gelassen, machen sie ihr Ding und gehen sie ihrer Wege. Sie sind für uns nicht gefährlich. Treiben wir sie in die Enge, wehren sie sich. Locken wir sie an, werden sie übergriffig. Das ist aber bei Wildschweinen, Rehen, Füchsen und Waschbären nicht anders.

Kontakt: Jan Schöne, Leiter NABU - Naturschutzstation Biberhof-Torgau

schoene_at_nabu-sachsen.de

 

 

  


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